Wir haben ja bereits über den am 11.09.2008 ins deutsche Kino kommenden Dokumentarfilm „NoBody’s Perfect“ berichtet. Das Disgenderbility-Team ergriff bereits am 07.09. die Möglichkeit eine Vorstellung des Films zu besuchen, bei der einige Darsteller_innen (Fred Dove, Doris Pakendorf, Sigrid Kwella, Theo Zavelberg) und der Regisseur Niko von Glasow anwesend waren.
Der Film begleitet Niko von Glasow bei der Konzeption und Umsetzung seines Projektes 11 Contergan-Geschädigte für einen Aktkalender zu gewinnen. Wir waren vom humorvollen und persönlichen Umgang mit dem Thema „Beeinträchtigung“ begeistert. Und fühlten uns darüber hinaus die ganze Zeit gut unterhalten. Doch das Anliegen dieses Films ist mehr als eine Unterhaltungsshow und auch keine Doku zum Thema „Deutschland sucht den Superconti“, so Niko von Glasow. Die Dokumentation bietet eine vielschichtige Auseinandersetzung des Filmemachers mit seiner eigenen Beeinträchtigung. In einem Interview des Kölner Stadt-Anzeigers
VON GLASOW: Ich habe weniger Angst vor anderen Conterganmenschen, die ich früher immer gemieden habe, weil sie zu sehr ein Spiegel meines eigenen Schicksals sind. Meine Behinderung ist mir selbst bewusster geworden. Das ist andererseits auch anstrengend. Denn die Seele verdrängt manche Dinge ja nicht umsonst. Ich glaube aber, dass ich ein fröhlicherer Mensch geworden bin.
Die Nähe und Vertrautheit zwischen den 11 Darsteller_innen und Niko von Glasow ermöglichen Raum für schwarzen Humor und anderen Fragen, wie nach dem Wunsch nach Selbstmord, dem Körperteil was einen am meisten beschäftigt oder der Größe des Penis.
Neben der Auseinandersetzung mit der eigenen Körperlichkeit, zielt der Film auf eine Gesellschaft, die Behinderungen ausgrenzt und anstarrt. Niko von Glasow verspricht sich durch den Film und die Ausstellung der Bilder, die im Rahmen der Dokumentation entstanden sind, eine Normalisierung des Blicks auf beeinträchtigte Körper. Durch die Thematisierung und fotografische Inszenierung von Nacktheit, Körperlichkeit und Sexualität gelingt es, bei den Zuschauer_innen eine kleine Perspektivverschiebung zu erreichen.
Auf einer dritten Ebene dokumentiert der Film den Umgang der Firma Grünenthal, als Hersteller des Mittels Contergan, mit seiner eigenen Geschichte. Niko von Glasow sucht im Film das Gespräch mit Vertreter_innen der Firma und der Familie Wirtz, die im übrigen zu den Superreichen dieses Landes zählen. Auch wenn auf den Internetseite des Konzerns Imagekampagnen gepflegt werden und Selbstdarstellungen des Konzerns schön verpackt zu finden sind, bleibt unserer Meinung nach, eine angemessene Entschädigung der durch Contergan Geschädigten durch Grünenthal bisher aus. Auch 40 Jahre nach dem Contergan-Skandal fehlt eine Entschuldigung der Konzernführung.
Für den Regisseur und die Darsteller_innen des Films geht es neben einer angemessenen finanziellen Entschädigung auch um die Sühne der Firma Grünenthal. In einem Interview für aspekte bringt Niko von Glasow dieses Anliegen auf den Punkt:
Entschädigungszahlungen von Grünenthal, die in eine Stiftung gingen, sind seit über 20 Jahren aufgebraucht. Für Niko von Glasow ist die Familie Wirts auf ihre Art auch Contergan-geschädigt: „“Wer soviel Böses tut, wird dafür büßen. Und das meine ich gar nicht so pathetisch, wie es sich anhört. Das ist so. Das hat psychosomatische Folgen. Und ich bin sicher: Solange die keine Sühne tun, wird’s denen beschissen gehen. Die tun mir wirklich leid.“
Für uns bleibt die Frage, warum sich in der Firma, aber auch besonders in der Unternehmer_innenfamilie Wirtz niemand einem Gespräch mit Nico von Glasow stellt, obwohl auf der Homepage Grünenthals folgende Aussage von Sebastian Wirtz zu finden ist:
Auch wenn ich zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht geboren war, möchte ich jetzt als Familienmitglied der dritten Generation versuchen, gemeinsam mit den Betroffenen die Contergan-Tragödie aufzuarbeiten.“
Wir haben für uns beschlossen, solange die Entschuldigung des Konzerns ausbleibt und Nico von Glasow keine Möglichkeit zu einem Gespräch angeboten wird, auf den Konsum sämtlicher Produkte der zur Familie Wirtz gehörenden Firmen (wie z.B. Dalli-Werke, Meurer und Wirtz) zu verzichten.