Sexualbgleitung als Thema bei 3sat – zwei Interviews zum Thema Sexualität und Behinderung

September 22, 2008
Sexualität ist prima von depone (flickr)

Sexualität ist prima von depone (flickr)

Am 08.03.2008 wurden zwei längere Beiträge der 3sat Sendung Vivo zur Nutzung online gestellt.

Eingebettet von einem einführenden Text „Die Tabubrecherin: Sexualassistentin Nina de Vries hilft Behinderten ihre Sexualität auszuleben“ finden sich zwei längere Videointerviews zum Thema „Behinderte und Sexualität – ein Tabuthema“.

Besonders freuen wir uns, dass in Kristina Engel sich über ihre Erfahrungen mit Sexualbegleitung und vor allem über ihre Erfahrungen zur Wahrnehmung als Frau äußert. Kristina Engel zeigt unter anderem auf, dass Sexualbegleitung bei ihr zur Entwicklung ihres Selbstwertgefühls und Selbstbewusstseins beitrug.

Unser Urteil: Sehenswert 🙂


Streitpunkte zur Sexualbegleitung

Mai 18, 2008

Der Kongress „Enthinderte Sexualität“ in Linz und einige Reaktionen auf unseren Film haben uns angeregt, uns zu den drei am häufigsten geäußerten Kritikpunkten zum Thema Sexualbegleitung zu äußern. Wir laden euch / Sie herzlich ein, sich im Kommentarteil dieses Eintrags an dieser Diskussion zu beteiligen oder zu unserer nächsten Aufführung in den Senatssaal der Humboldt Universität zu kommen. Den folgenden Text gibt es auch als pdf-Datei.

1. „Ruhig stellen“ durch Sexualbegleitung?

Einige Teilnehmer_innen des Kongresses sahen im Zusammenhang mit Sexualbegleitung die Gefahr, dass Menschen mit Beeinträchtigungen lediglich „ruhig gestellt“ werden sollen, so wie es früher und teilweise heute noch mit Medikamenten praktiziert wurde bzw. wird.

Das Konzept Sexualbegleitung reicht für uns jedoch wesentlich weiter. Sexualbegleitung bietet eine behutsame Annäherung an die eigene Sexualität. Sie kann ein intimes, sinnliches, erotisches körperliches Erleben für Menschen ermöglichen, die bisher keine bzw. eingeschränkte Erfahrungen mit Sexualität hatten.

Sexualbegleitung soll keinesfalls als Symptombehandlung verstanden werden. Einrichtungen müssen sicherlich weitaus mehr tun, als Menschen, die sich auffällig oder aggressiv verhalten, Sexualbegleitung anzubieten. Sie sind aufgefordert, neue Konzepte für Sexualpädagogik zu entwickeln, in denen u. a. eine umfangreiche Aufklärung, Beratungsmöglichkeiten und Austauschmöglichkeiten, aber auch Möglichkeiten zum Kennenlernen von Menschen mit Beeinträchtigungen und Schulungen für Mitarbeitende vorgesehen sind.

Die IV Sozialunternehmen hat in dem Positionspapier Sexualität und Behinderung wichtige Forderungen und Grundsätze zur Thematik Sexualität und Beeinträchtigung formuliert.

2. Es gibt wichtigere Aspekte von Sexualität, als Sexualbegleitung!

Das Ermöglichen von Kennenlernen anderer Menschen, Partner_innenschaften, das Schaffen eines Rahmens, in dem Sexualität ausgelebt werden kann, Intim- und Privatsphäre wahren etc. sind wichtige Themen im Zusammenhang mit Sexualität. Sexualbegleitung bzw. Sexualassistenz sind nur eine Facette von Sexualität. Wichtigste Voraussetzung (auch) im Zusammenhang mit Sexualität ist auf jeden Fall, Menschen mit Beeinträchtigungen nicht als verkindlichte, geschlechtslose Wesen zu betrachten und als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu akzeptieren.

Sexualbegleitung bietet Menschen, die keinen anderen Zugang zu Sexualität haben, die sich z. B. nicht selbst befriedigen können, eine Möglichkeit, ihren Körper zu erkunden und zu erleben. Sexualbegleitung kann behutsam in Sexualität einführen. Im Idealfall ist Sexualbegleitung nur ein Übergang, eine Unterstützung, um auf andere Menschen zuzugehen oder z. B. Partner_innnen zu finden oder einfach nur sich selbst zu entdecken.

3. Ist Sexualbegleitung ein Weg zur Selbstbestimmung?

Sexualbegleitung ist ein Angebot für Menschen, die auf verbale oder andere Weise äußern, dass sie gerne Sexualität hätten, aber keinen anderen Weg finden, dies auszuleben. Sie bestimmen selbst, ob, wann oder wie oft sie diese im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten in Anspruch nehmen. Die eigene Sexualität erleben zu können, ist ein wichtiger Aspekt von Selbstbestimmung. Insofern betrachten wir Sexualbegleitung als einen möglichen Weg zu selbstbestimmterem Leben.

Wir erachten es für sinnvoll bei Menschen mit Lernschwierigkeiten parallel zur Sexualbegleitung eine sexualpädagogische Beratung anzubieten (um z. B. auftretende Fragen, Wünsche oder Probleme zu klären).

Es gibt noch viele weitere, auf dem Kongress nicht angesprochene, wichtige Punkte:

  • Sexuelle Assistenz durch Mitarbeiter_innen? Ein Tabu!
  • Verliebtsein, (k)ein Problem?
  • Verschiedene Konzepte für verschiedene Menschen?
  • Eine Frage des Geschlechts. Frauen und Prostitution?
  • Bringt Sexualbegleitung eine selbstbestimmte Sexualität?
  • Sexualbegleitung ist auch ein Sonderweg!
  • Sexualbegleiter_in: Heilige oder Hure?
  • Vorsicht vor Begrifflichkeiten, wie z. B. „Surrogatpartnerschaft“ (Wikipedia)

Einige dieser Fragen habe ich in meiner Diplomarbeit „Sexualbegleitung für Menschen mit Lernschwierigkeiten – Film und Analyse“ ausgeführt. Die Arbeit stelle ich, sobald sie begutachtet wurde, hier in den Weblog.

Im Gender@Wiki haben wir eine umfassende Bibliographie zum Thema Sexualbegleitung erstellt. Wer sich weiterhin mit dem Thema befassen möchte, kann auf dieser Seite sicherlich einige nützliche Informationen finden.


Sexualbegleiterinnen im Interview

März 8, 2008

In der heutigen Ausgabe der OÖNachrichten setzen sich zwei Beiträge mit Sexualität von Menschen mit Beeinträchtigungen und mit Sexualbegleitung auseinander.

In einem Interview definiert Nina de Vries Sexualbegleitung und fordert „SexualbegleiterInnen achten Menschen mit Behinderung als gleichwertig.“ Und Vimala führt aus: „Ich treffe öfters Menschen, die sagen: ,Ach so, Behinderte brauchen das auch?‘ Denen möchte ich am liebsten an die Gurgel springen. Denn das sind ja Menschen, keine Wesen von einem anderen Stern. Sexualität ist ein menschliches Grundbedürfnis wie Essen und Trinken.“

Die vollständigen Texte finden sich hier:

Eine umfassende Literatursammlung zum Thema Sexualbegleitung findet sich im Gender@Wiki. Ergänzungen sind willkommen :-).